Das Dezimalsystem

DIE HAND ist so etwas wie die erste Rechenmaschine, das Wort »digital« etwa leitet sich her vom lateinischen Wort für »Finger«. In Indien und China multiplizieren die Menschen noch immer mit den Fingern, ohne ein weiteres Hilfsmittel. Und Ägypter, Römer, Perser konnten mit einer Art Taubstummensprache allein mit den Fingern alle Zahlen bis 10 000 darstellen – im Gedrängel von Basaren ein großer Vorteil, denn durch die stummen Zahlen konnten die Geschäftsverhandlungen nicht belauscht werden.

Der menschlichen Hand ist es möglicherweise zu verdanken, daß wir in Zehnerschritten rechnen: »Hätten wir aus irgendeinem Grund sechs Finger«, sagt der französische Mathematik-Historiker Georges Ifrah, »würden wir auf der Basis zwölf rechnen.«

Nur wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. So kennen die australischen Aranda nur zwei Zahlwörter, mit denen sie durch Verdoppelung bis vier rechnen können, danach kommt nur noch das Wort »viel«. Kelten, Maya und Azteken dagegen zählten Finger und Zehen zusammen und benutzten daher Zwanzigereinheiten, das sogenannte Vigesimalsystem. Selbst im Französischen finden sich noch keltische Reste im Begriff »quatre-vingt«, als viermal-zwanzig, um die Zahl achtzig auszudrücken.

Die Insulaner der Torres-Straße zählen gar unter Einbeziehung von Körperteilen wie Schulter, Knie und Hüfte bis zur kleinen Zehe rechts – die für die 33 steht.

Vor allem eines scheinen diese Beobachtungen auf dem jungen Gebiet der »Ethnomathematik« zu belegen: Die Zahlen entstammen nicht einer reinen Sphäre göttlicher Ideen, unabhängig von Zeit und Raum, wie Plato und Leibniz und viele andere Zahlenmystiker annahmen. Ganz im Gegenteil: Der menschliche Körper war die erste Rechenmaschine der Welt.

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